Gedanken von Pfr. Martin Kornfeld zur Jahreslosung 2023
Du bist ein Gott, der mich sieht – 1. Mose 16.13
Das alte Jahr vergangen ist,
wir danken dir, Herr Jesu Christ,
dass du uns in so großer G’fahr
so gnädiglich behüt‘ dies Jahr.
So haben wir gesungen.
Selten hat uns ein Jahr so ratlos gemacht.
Krieg mitten in Europa. Wir hofften, das würde nie wieder passieren.
Nach den grauenvollen Kriegen, in denen wir Deutschen verstrickt waren – mit unermesslicher Schuld und schrecklichen Folgen.
Und nun: beteiligen wir uns eigentlich schon am Krieg? Ich weiß auf diese Frage keine Antwort.
In der Ukraine frieren die Menschen vor Lagerfeuern, in Bunkern, hinter zerschossenen Fenstern, ohne elektrischen Strom.
Müssen wir nicht helfen?
BROT für die WELT – unser evangelisches Hilfswerk für die Armen, die Ärmsten dieser Erde, überall, weltweit – Brot für die Welt hat angekündigt, dass es die aufwändigste, teuerste Hilfsaktion gestartet hat, die dieses Hilfswerk jemals vorher in seiner Geschichte gewagt hat:
NEIN: Keine Hilfe für Waffenkäufe!
Hilfe für die Ukrainer!
Die Menschen müssen, sollen überleben, den Winter überstehen. Und dabei sollen die Hilfsaktionen überall auf der Welt weiterlaufen.
Und nun diese Losung, dieses Motto für das Neue Jahr, das noch ungewiss, dunkel, drohend vor uns liegt.
„Du bist der Gott, der mich sieht.“
Ich will erzählen, in welchem Umfeld dieser Satz zuerst geäußert wurde.
„Du bist der Gott, der mich sieht.“
Abram und Sara sind ein älteres Ehepaar. Der Wunsch nach einem Kind hat sich nie erfüllt. Beide denken an das Versprechen Gottes, aus ihnen solle ein großes Volk werden.
Die Ungeduld wächst. Wenn Gott nicht hilft, dann wollen sie sich selber helfen. Verständlich!
Da rät die Frau ihrem Mann, er möge doch ihre Magd, ihre Sklavin zur Nebenfrau machen und mit der ein Kind zeugen.
Als die Sklavin in guter Hoffnung sich befindet, bricht zwischen den beiden Frauen ein heftiger Streit aus.
Die Ältere jagt die Junge weg.
In die Wüste.
Wüste: Zeichen der Einsamkeit. Zeichen für Ausweglosigkeit. Zeichen für Ende und Tod.
Wüste: so erleben in diesen Zeiten Viele ihr Leben und ihre Zukunft.
Keine Hoffnung. Nichts als Tod. Wüste.
Wüste ist für uns Ausdruck der Einsamkeit, Ort der völligen Ratlosigkeit, Ort des Kummers, des Todes.
Wüste ist nicht nur der Ort der Steine und der sengenden Sonne.
Wüste entsteht in unserer Nähe, mitten im Gedränge; im 14. Stockwerk eines Hochhauses, in dem Hunderte Menschen auf engem Raum leben, da wird ein Mensch in seiner Wohnung tot aufgefunden.
Wie lange hat er in seiner Wüste gelebt?
Das wirft Fragen auf:
Wie und wann habe ich Wüste geschaffen;
Wüste, die Menschen das Leben schwer machte?
Und wie stark bin ich daran beteiligt, dass blühendes Land zur Wüste wird – beteiligt durch Gier oder durch Geiz oder einfach durch Nachlässigkeit und Sorglosigkeit.
Ich will diesen Fragen nicht ausweichen.
Und bitte Gott, dass ER Engel, Boten ohne Flügel sendet, die Hoffnung in die Wüste tragen, die zum Glauben helfen und die ins Bekennen führen:
„DU bist ein Gott, der mich sieht.“
In ihrer Wüste begegnet der jungen Frau ein Bote Gottes. Ein Engel – so steht es in den Heiligen Schriften. Engel erscheinen in vielen Gestalten.
Ihnen fehlen die Flügel.
Aber die Botschaft, die Hoffnung, der Weg ins Leben kehrt mit ihnen zurück.
Gott lässt dich nicht los.
ER weiß um Dich. ER hält dich.
Da bricht es aus der jungen Frau heraus:
„DU bist der Gott, der mich sieht.“
Dieser Aufschrei der Hoffnung, geschrien in Wüstennot, soll uns begleiten.
Jeder hier und Jede hat eigene Wüstenerfahrung und Wüstenangst.
Und Jeder und Jede soll und darf in seiner Angst – oder in seinem Zweifel – oder in seinem Glück: sie sollen einstimmen, dass es zum Gebet wird: „DU bist der Gott, der mich sieht.“
Zu Weihnachten ist das für uns und für alle Wirklichkeit geworden.
Gott hat seine Menschen angesehen.
Jesus Christus ist das Gesicht Gottes.
Jesus Christus ist an unserer Seite.
Im Jahr 2023.
„DU bist der Gott, der mich sieht.“
Amen.